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    Fünf Irrtümer über Hämophilie

    Hämophilie, auch Bluterkrankheit genannt, ist eine seltene genetische Störung der Blutgerinnung. Über die Erkrankung kursieren zahlreiche Mythen und Vorurteile. In diesem Text räumen wir mit fünf weit verbreiteten Irrtümern auf!

    Christian Schepperle

    Geschäftsführer der Interessengemeinschaft Hämophiler e. V.

    1. Irrtum: Hämophile bluten schneller als gesunde Menschen

    Hämophile bluten nicht schneller, aber ihre Blutungen dauern länger. Das liegt daran, dass bestimmte Gerinnungsfaktoren im Blut fehlen oder nicht ausreichend vorhanden sind, so dass die Blutgerinnung langsamer abläuft oder gar nicht erst zum Stillstand kommt. Dies kann auch zu Spontanblutungen und Blutungen nach Verletzungen führen, die schwerer zu kontrollieren sind.

    2. Irrtum: Menschen mit Hämophilie können keinen Sport treiben

    Tatsächlich ist körperliche Aktivität für Hämophile sehr wichtig, um Muskeln und Gelenke zu stärken und somit das Risiko für Gelenk- und Muskelblutungen zu verringern. Allerdings sollten sie auf Kontaktsportarten verzichten und stattdessen auf schonendere Aktivitäten wie Schwimmen, Radfahren oder regelmäßiges Ausdauertraining setzen.

    3. Irrtum: Die Lebenserwartung ist stark eingeschränkt

    In der Vergangenheit war die Lebenserwartung für Hämophile tatsächlich deutlich geringer, doch dank moderner Therapieansätze und Medikamente hat sich dies grundlegend geändert. Heute können Betroffene ein fast normales Leben führen und die Lebenserwartung von gesunden Mitmenschen nahezu erreichen, sofern sie eine angemessene kontrollierte Behandlung erhalten, ihre Blutungsrisiken gut managen und keine Nebenwirkungen haben.

    4. Irrtum: Hämophilie ist ansteckend und nicht vererbbar

    Hämophilie kann gar nicht ansteckend sein. Sie ist eine genetische Erkrankung, die hauptsächlich über das X-Chromosom vererbt wird. Frauen, die Trägerinnen des defekten Gens sind, haben eine 50%ige Chance, es an ihre Nachkommen weiterzugeben. Da Männer nur ein X-Chromosom besitzen, erkranken sie an Hämophilie, wenn sie das defekte Gen erben. Frauen hingegen erkranken selten, da sie in der Regel noch ein gesundes X-Chromosom besitzen, das den Defekt meist ausgleicht.

    5. Irrtum: Alle Menschen mit Hämophilie benötigen eine ständige Behandlung

    Es gibt verschiedene Schweregrade der Hämophilie (schwer, moderat und leicht), die sich in der Menge der noch natürlich vorhandenen Gerinnungsfaktoren unterscheiden. Während Menschen mit schwerer Hämophilie Infusionen von Gerinnungsfaktoren als Prophylaxe benötigen, um Blutungen zu verhindern, können Menschen mit leichter Hämophilie oft ohne solche Behandlungen auskommen. Allerdings ist es wichtig, dass jeder Betroffene individuell von einem Hämophiliezentrum mindestens zwei Mal jährlich betreut wird, um die beste Therapie festzulegen.

    Zusammenfassend ist Hämophilie eine komplexe Erkrankung, die individuell behandelt werden muss.

    Durch die Aufklärung über diese Mythen und Vorurteile können wir dazu beitragen, das Verständnis für Menschen mit Hämophilie zu fördern und ihnen ein besseres Leben zu ermöglichen. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass die moderne Medizin und die Zusammenarbeit von Patientenorganisationen wie die IGH, Ärzten und Forschern dazu beigetragen haben, die Lebensqualität von Menschen mit Hämophilie zu verbessern. Die richtige Information und das Bewusstsein für die individuellen Bedürfnisse von Betroffenen sind entscheidend, um unnötige Ängste abzubauen und ihnen ein normales Leben zu ermöglichen. Es gibt auch kontinuierliche Forschungsanstrengungen, um neue Therapieansätze und Medikamente für Hämophile zu entwickeln. Gentechnik und weitere Studienbereiche sind zwar vielversprechende Bereiche, die das Potenzial haben, die Behandlung von Hämophilie noch weiter zu verbessern, aber auch die altbewährten Therapien bleiben für uns sehr wichtig.

    Abschließend ist es entscheidend, dass wir uns von Mythen und Vorurteilen distanzieren und stattdessen auf wissenschaftlich fundierte Informationen setzen. Durch Aufklärung und Verständnis können wir Menschen mit Hämophilie unterstützen und dazu beitragen, ihre Lebensqualität weiter zu verbessern.

    Die Interessengemeinschaft Hämophiler e. V. (IGH e. V.) ist ein bundesweit tätiger Patientenverband, der die Interessen der an einer angeborenen Blutungskrankheit leidenden Menschen und ihrer Angehörigen vertritt.

    Weitere Informationen unter www.igh.info

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