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    Positive Zweitmeinung vor schmerzbedingten Wirbelsäulenoperationen?

    Foto: Buravleva stock via Shutterstock.com

    Aus Sicht der Deutschen Schmerzliga verpflichtende Voraussetzung für Kostenübernahme!

    PD Dr. med. Michael A. Überall

    Präsident Deutsche Schmerzliga e. V.

    Häufigkeit von Rückenschmerzen auf Rekordniveau

    Prävention und Behandlung von Rückenschmerzen gehören zu den großen Herausforderungen der Gesundheitssysteme westlicher Industrienationen. Trotz umfangreicher Programme und einer abnehmenden körperlichen Belastung steigt die Zahl Betroffener in Deutschland kontinuierlich an und erreichte laut Robert Koch Institut mit einer Einjahresprävalenz von 61,3% der Gesamtbevölkerung 2021 einen neuen Rekordwert.

    Zahl schmerzbedingter Wirbelsäulenoperationen steigt überproportional

    Überproportional stark steigt seit Jahren auch die Zahl schmerzbedingter Wirbelsäulenoperationen an. Wirtschaftliche Faktoren in Form der DRG-gekoppelten Pauschalvergütungen sind Ursache einer zunehmenden Spezialisierung von Kliniken für chirurgische Eingriffe an der Wirbelsäule, und Untersuchungen belegen eine auffällige Diskrepanz zwischen dem (schmerz-)medizinisch sinnvollen Bedarf und den tatsächlich durchgeführten Operationen. Finanzielle Fehlanreize werden offensichtlich zum entscheidenden Anlass für eine kontinuierlich zunehmende Fehl- und Überversorgung mit Wirbelsäulenoperationen. Nicht mehr der konkrete Bedarf bzw. das individuelle Bedürfnis des Patienten, sondern das regionale Angebot entscheiden darüber, ob und wer wann bzw. wie operiert wird.

    Keine belastbare Evidenz für OP verfügbar

    Angesichts des bekannt hohen Anteils psychosozialer mehrdimensionaler Krankheitsfaktoren und der in den meisten Fällen eher geringen Bedeutung struktureller Störungen ist es kein wirklich überraschendes Ergebnis, dass das für Kliniken finanziell lukrative „broken car“ Konzept nur selten auch für Betroffene mit einer bedürfnisorientierten und vor allem nachhaltigen Beschwerdelinderung einhergeht. Hochwertige Placebo-kontrollierte Studien konnten bislang bei überschaubaren Akuteffekten keinen belastbaren Nachweis einer nachhaltigen Wirkung elektiver Wirbelsäulenoperationen bei Kreuz-/Rückenschmerzen erbringen.

    Unabhängige Kontrolle richtig/wichtig!

    Mit dem Ziel der Evaluation angebotsinduzierter Über-/Fehlversorgung operativer Verfahren begleitet die Deutsche Schmerzliga in Deutschland seit 2010 das IMC-Netzwerk schmerzmedizinischer Schwerpunkteinrichtungen. Die dort aktiven Zentren bieten Betroffenen, denen zur Linderung ihrer Rückenschmerzen zu einer Wirbelsäulenoperation geraten wird, ein sog. Zweitmeinungsverfahren in Form einer interdisziplinären Schmerzkonferenz (ISK) entsprechend der Konzeption der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) e. V. und den Empfehlungen der Deutschen Schmerzliga (DSL) e. V. an.

    Wirbelsäulenoperationen nur selten indiziert

    Im Rahmen dieses unabhängigen Zweitmeinungskonzeptes wurde die Sinnhaftigkeit und Alternativlosigkeit bereits gestellter Operationsindikationen seitdem bei mehr als 7.500 Menschen mit Kreuz-/Rückenschmerzen interdisziplinär bewertet und im Mittel nur in fünf von 100 Fällen (4,9%) bestätigt.

    Keine Kostenübernahme ohne eine (gute) zweite Meinung

    Aus Sicht der Deutschen Schmerzliga (DSL) e. V. belegen diese Zahlen eindrucksvoll die Notwendigkeit für eine gesetzlich verpflichtende Überprüfung der Operationsindikation durch eine unabhängige interdisziplinäre Schmerzkonferenz unter Einbeziehung qualifizierter Schmerzexperten. Elektive Operationen, die ohne ein positives Zweitmeinungsvotum durchgeführt werden, sollten von den gesetzlichen Krankenversicherungen nicht mehr länger vergütet und die Gelder stattdessen zum flächendeckenden Aufbau qualifizierter Alternativangebote genutzt werden.

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